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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 12.12.2001
Aktenzeichen: 7 U 217/00
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 4 Nr. 3
Jeder Bauunternehmer, der seine Leistungen in engem Zusammenhang mit der Vorarbeit eines anderen oder auch auf Grund dessen Planungen auszuführen hat, muss prüfen, gegebenenfalls auch Erkundigungen einziehen, ob diese Vorleistung eine geeignete Grundlage für sein Werk bietet und keine Eigenschaft aufweist, die den Erfolg seiner eigenen Arbeit in Frage stellen kann.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Grund-Urteil

7 U 217/00

Verkündet am 12. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### sowie der Richterinnen am Oberlandesgericht ####### und ####### auf die mündliche Verhandlung vom 1. November 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. November 2000 verkündete Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichtes Stade teilweise geändert:

Die Beklagte zu 1 ist dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger zu 50 % diejenigen Mängelbeseitigungskosten zu zahlen, die aus der Unterdimensionierung der Holzbalkendecke des Einfamilienhauses ####### in ####### entstehen.

Im Übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zu erneuten Verhandlung und Entscheidung im Betragsverfahren an das Landgericht Stade zurückverwiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beklagten zu 2 im Berufungsverfahren. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Landgericht vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer: jeweils weniger als 60.000 DM.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1 hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolgt.

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1 als bauausführendes Zimmererunternehmen gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2 als Statiker auf Kostenvorschuss wegen mangelhafter Werkleistungen in Anspruch. Wegen des Sachverhalts im Einzelnen sowie wegen der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird auf das Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 9. November 2000 (Bl. 186 ff d. A.) verwiesen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, der nach wie vor die Auffassung vertritt, die Beklagte zu 1 treffe eine Verletzung ihrer Prüfungspflicht als Bauunternehmerin bezüglich der vom Beklagten zu 2 gefertigten Statik.

Für die Beklagte zu 1 sei offenkundig gewesen, dass dem Beklagten zu 2 lediglich die Entwurfsplanung vorgelegen habe, nicht aber die Baubeschreibung, aus der sich überhaupt erst der Einschub mit Kalkschotter ergeben habe. Für die Beklagte zu 1 habe sich mithin aufgedrängt, dass diese Lastannahme in der Berechnung des Beklagten zu 2 fehlte.

Zudem habe sich die Beklagte zu 1 unstreitig Gedanken gemacht über das Gewicht von geglühtem Sand in Vergleich zu Kalkschotter. Bei den hierzu angestellten Überlegungen habe ihr auffallen müssen, dass die Statik eine entsprechende Lastannahme überhaupt nicht enthalten habe.

Die Beklagte zu 1 verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die zunächst auch gegen den Beklagten zu 2 eingelegte Berufung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.

II.

Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Vorschussanspruch gemäß § 633 Abs. 3 BGB gegen die Beklagte zu 1 zu. Zwar entspricht die Werkleistung der Beklagten zu 1 den Vorgaben des Statik des Beklagten zu 2. Sie ist gleichwohl mangelhaft.

Die Beklagte zu 1 trifft nämlich eine Verletzung ihrer Prüfungs- und der daraus folgenden Hinweispflicht gegenüber dem Kläger wegen der unvollständigen und deshalb fehlerhaften Statik des Beklagten zu 2.

Die in § 4 Nr. 3 VOB/B normierte Prüfungs- und Hinweispflicht des Werkunternehmers ist ein Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, dessen Zweck es ist, den Besteller vor Schaden zu bewahren (BGH NJW 1987, 643 f). Jeder Bauunternehmer, der seine Leistungen in engem Zusammenhang mit der Vorarbeit eines anderen oder auch auf Grund dessen Planungen auszuführen hat, muss deshalb prüfen, gegebenenfalls auch Erkundigungen einziehen, ob diese Vorleistung eine geeignete Grundlage für sein Werk bietet und keine Eigenschaft aufweist, die den Erfolg seiner eigenen Arbeit in Frage stellen kann.

Der Rahmen dieser Verpflichtung und ihre Grenzen ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, die anhand der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu beurteilen ist (BGH a. a. O.; OLG Köln Baurecht 1988, 241 ff., 243). Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, bestimmt sich u. a. nach dem von dem Unternehmer zu erwartenden Fachwissen, nach seiner Kenntnis von Informationsstand des Vorunternehmers und durch alle Umstände, die für den Unternehmer bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam erkennbar sind.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Maßstab, der an den Umfang der Prüfungs- und Hinweispflicht des Werkunternehmers anzulegen ist, regelmäßig bei Einschaltung eines Sonderfachmann reduziert ist, gegebenenfalls auch vollständig entfallen kann (BGH ZfBR 1998, 244, OLG Celle OLGR 2001, 1 ff., OLG Köln a. a. O.). Auch im Fall der Einschaltung eines Sonderfachmannes ist jedoch der ausführende Handwerker verpflichtet, z. B. Planungsunterlagen auf offenkundige Fehler zu überprüfen (OLG Celle a. a. O., OLG Köln a. a. O.). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach und wird dadurch das Gesamtwerk beeinträchtigt, so ist die Leistung des Werkunternehmers selbst mangelhaft. Der Besteller ist berechtigt, ihn auf Gewährleistung in Anspruch zu nehmen (BGH NJW 1987, 643 ff.).

Im vorliegenden Fall war die Fehlerhaftigkeit der Statik des Beklagten zu 2 für die Beklagte zu 1 ohne weiteres zu erkennen. Die Statik des Beklagten zu 2 nennt als der Berechnung zur Grunde liegende Unterlagen lediglich 'die Entwurfszeichnungen vom 20. Juli 1993 i. M. 1 : 100', die keinen Hinweis auf einen Einschub enthielt. Nicht genannt wurde hingegen die Baubeschreibung, in der allein der beabsichtigte Einschub und das Einschubmaterial beschrieben wurden. Dies war, worauf auch der Sachverständige ####### auf Seite 17 seines Gutachtens vom 2. März 2000 hinweist, ohne weiteres durch bloßes Lesen der Statik für die Beklagte zu 1 erkennbar, ohne dass es dafür irgendwelcher Spezialkenntnisse bedurfte.

Das Fehlen der Berücksichtigung irgendeines Einschubmaterials in der Geschossdecke ergab sich zusätzlich aus der Angabe auf Seite 15 der Statik

'Bemessung: Nadelholz der Güterklasse II/A'

ohne Nennung eines Einschubmaterials.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Beklagte zu 1 aus der Lastannahme in der Statik Rückschlüsse auf konkret geplante Einschubmaterialien, namentlich auf die speziellen Lastannahmen ziehen konnte oder nicht. Über derart spezielle statische Kenntnisse muss ein Zimmererunternehmen nicht verfügen.

Für die Beklagte zu 1 bestand im vorliegenden Fall jedoch besonderer Anlass, sich mit dem Einschubmaterial und mit dessen statischer Relevanz auseinander zu setzen. Unstreitig ist nicht der ursprünglich geplante Kalkschotter als Einschubmaterial verwendet wurden, sondern geglühter Sand, dessen spezifisches Gewicht Kalkschotter jedoch nur dann entspricht, wenn sehr feinkörniger Kalkschotter als Schüttmaterial verwendet wurde, während grobkörniger Kalkschotter eine geringere Lastannahme gerechtfertigt hätte. In letzterem Fall (Planung mit grobkörnigerem Kalkschotter) hätte sich bei Änderung des Einschubmaterials zu geglühtem Sand eine gravierende Änderung der statischen Gegebenheiten ergeben. Auch wenn die Beklagte zu 1 nicht selbst über spezielle Kenntnisse insoweit verfügen musste, entspricht es doch dem allgemeinen Wissensstand, insbesondere eines Bauhandwerkers, dass sich Materialveränderungen wegen möglicher unterschiedlicher spezifischer Gewichte vor allem auf die Statik eines Gebäudes auswirken können. Die Beklagte zu 1 hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt einen Fachmann, ggf. den Beklagten zu 2, zu Rate ziehen müssen, wenn sie nicht selbst über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügte.

Eine Gesamtschau dieser besonderen Umstände des Einzelfalls rechtfertigt es, insbesondere angesichts der erheblichen Bedeutung der Tragfähigkeit der Geschossdecke der Beklagten zu 1 einer Prüfungspflicht hinsichtlich der Statik des Beklagten zu 2 aufzuerlegen und sie wegen Verstoßes hiergegen zur Zahlung von Schadensersatz zu verpflichten.

Die Beklagte zu 1 haftet dem Kläger aber nicht auf vollständigen Ersatz des durch die Unterdimensionierung der Holzbalkendecke entstandenen Schäden. Der Kläger muss sich vielmehr das Verschulden des von ihm eingeschalteten Beklagten zu 2 als eigenes zurechnen lassen, § 278 BGB. Die Haftungsquote insoweit bemisst der Senat auf 50 %. Hierbei findet Berücksichtigung, dass ein Zimmererunternehmen grundsätzlich über eine gewisse Sachkunde für statische Berechnungen verfügen muss und auf Grund Erfahrung auch tatsächlich verfügt. So kann ein erfahrener Zimmerer ohne weiteres erkennen, ob bei bestimmten Spannweiten die Stärke tragender Balken ausreicht oder nicht. Da für die Beklagte zu 1 wegen des Wechsels des Einschubmaterials besonderer Anlass zu Überprüfung der Lastannahme bestand, hält der Senat eine hälftige Quotelung für sachgerecht und angemessen.

Die Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens ist im Hinblick auf die Sowieso- Kosten noch nicht abschließend geklärt. Der Rechtsstreits ist deshalb gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unter teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen der Entscheidung zu Höhe zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bezüglich des Beklagten zu 2 beruht auf § 515 Abs. 3 ZPO. Im Übrigen war die Kostenentscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - dem Landgericht vorzubehalten.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, gegen diese Entscheidung die Revision zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die Voraussetzungen des § 546 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO liegen ebenfalls nicht vor.

Ende der Entscheidung

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